Sprachtherapie und UK: Zwei unzertrennliche Disziplinen

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Von Claudia Herhold, Dipl.-Sprachheilpädagogin & UK-Coach.

Kommunikation ist ein dem Menschen angeborenes Grundbedürfnis, das Kind ist von Anfang an ein aktiver sozialer Interaktionspartner. Sprache beeinflusst demnach auch den Lebensweg immens. Sie ist wichtig für die soziale Partizipation und somit für die Inklusion. Gerade Menschen, die über keine oder wenig Lautsprache verfügen, sind hier beeinträchtigt. Umso erstaunlicher, dass Unterstützte Kommunikation noch keinen Einzug in die Ausbildungsrichtlinien für Logopäden und Sprachtherapeuten gehalten hat. Oftmals begegnen Sprachtherapeuten/Logopäden den Vorurteilen der Eltern, Erzieher, Lehrer und leider sogar der Ärzte. Die Bezugspersonen haben Angst, dass der Nutzer nicht die eigene Lautsprache einsetzt und nur noch über die alternative Kommunikationsform Mitteilungen macht. Diesem Vorurteil kann sogar wissenschaftlich belegt widersprochen werden.

Zu bedenken ist, dass Unterstützte Kommunikation als Methode innerhalb der Sprachtherapie/Logopädie betrachtet werden muss. Mithilfe der UK kann es Menschen mit (noch) eingeschränkter oder (noch) nicht vorhandener Lautsprache ermöglicht werden, Kommunikation und Sprache zu erlernen und zu nutzen (vgl. Kaiser-Mantel 2013). Die Arbeitsfelder der Sprachtherapie sind weit vielschichtiger als nur sprechanbahnende Techniken! Wichtig ist auch, dass das gesamte Umfeld einbezogen wird, sich also nicht nur auf die Arbeit mit einem einzelnen Individuum beschränkt.

Die Einbeziehung der Sprachtherapie/Logopädie bei dem Umgang mit einer alternativen und / oder ergänzenden Kommunikationsform ist jedoch immens wichtig, denn der Einsatz dieser Kommunikationsformen schafft wichtige Voraussetzungen für den Spracherwerb und die Individualentwicklung des Kindes (vgl. Kaiser-Mantel 2013). Die Auswahl eines Kommunikationsmittels muss sich dabei an den physiologischen Spracherwerbsmechanismen orientieren. Hier kann die Sprachtherapie/Logopädie ansetzen und wichtige Erkenntnisse zur individuellen Gestaltung sowie der alltagstauglichen Förderung beitragen.

Innerhalb der Sprachentwicklung erlernt das Kind die jeweiligen Regeln der Muttersprache durch Erfahrungen innerhalb der Gesamtentwicklung. Durch verschiedene Einflussfaktoren können bei Kindern mit Behinderungen und deren Bezugspersonen ein verändertes Lern-, Kommunikations- und Sprachvermögen auftreten als auch Interaktionsprobleme in der präverbalen Kommunikation. Beides bedingt sich gegenseitig. Die (intuitive) Interaktion kommt durch das veränderte Kommunikationsverhalten durch verschiedene Einflussfaktoren des Kindes aus dem Gleichgewicht. So bekommt das Kind weniger sprachlichen und situationsbezogenen Input, was wiederum einen Einfluss auf die Wortschatz- und Sprachentwicklung hat (vgl. Nonn 2011).

Methoden der UK können den Lautspracherwerb sogar unterstützen! So kann der zielgerichtete Einsatz von indikativen Gesten (z.B. „winke winke“ für „Tschüss“) durch den Einsatz von Gebärden unterstützt werden. Dabei wird natürlich auch der Spracherwerb unterstützt. Nicht zu unterschätzen dabei ist, dass auch die Bindung und die Beziehung zu den Bezugspersonen gefestigt werden kann, wenn gerade die intuitive elterliche Didaktik unterstützt und gefördert wird. Die Eltern regen durch sprachförderndes Verhalten die gesamte Sprachentwicklung und auch deren Ausbau an, indem sie sich intuitiv an die Möglichkeiten des Kindes anpassen. Sie passen also ihre Sprache an die Fähigkeiten des Kindes an. Dennoch erweitern sie die Sätze des Kindes stetig. Bei Kindern mit Behinderung bleibt das intuitive Verhalten jedoch aufgrund der fehlenden Vorbilder auf einer Stufe stehen und wird nicht erweitert, um auch Überforderungen zu vermeiden. Das Kind kann dabei aber den Input nicht für den Aufbau der eigenen sprachlichen Kompetenz nutzen. Es kann somit nicht mehr aktiv und initiativ am Gespräch teilnehmen. Hier zeigt sich, dass ein frühes Training der Bezugspersonen wichtig ist.

Dass die Sprachentwicklung natürlich eng mit der kognitiven und sozialemotionalen Entwicklung des Kindes zusammenhängt, liegt nahe. Durch den Erwerb neuer Worte werden neuronale Netzwerke geschaffen. Der passive Wortschatz eines Kindes wächst zunehmend und bildet sich immer weiter aus. Je differenzierter der Wortschatz ist und auch gebraucht werden kann, desto mehr kann der Sprecher am öffentlichen Leben teilhaben. Je mehr sozial partizipiert werden kann, umso positiver sieht sich der Sprecher. Wichtig ist, dass der Wortschatzerwerb der Grammatikentwicklung vorausgeht. Bis zu einem Alter von 18 Monaten lernen die Kinder ihre Welt und ihre Gegebenheiten durch Ausprobieren kennen. Dabei entwickelt sich der Wortschatz rapide. Ab dem sogenannten Wortschatzspurt können Kinder schon Wörter zu einem kleinen Satz zusammenfügen und sich gezielter und differenzierter ausdrücken. Dies geschieht durch das Modelllernen, was bei einem Kind mit Behinderung wie bereits beschriebenen durch viele Faktoren beeinflusst werden kann.

Im Alter zwischen 4-6 Jahren tritt der Bedeutungsaspekt der Sprache dann jedoch in den Hintergrund, die lautlichen und strukturellen Aspekte der Sprache rücken in den Vordergrund. Die sogenannte phonologische Bewusstheit ist eine wichtige Voraussetzung für den Schriftspracherwerb (vgl. Nonn 2011). Die logopädische/sprachtherapeutische Intervention zielt dabei also neben der Partizipation auf den Zuwachs linguistischer Kompetenzen auf allen Ebenen der Sprache (Aussprache, Wortschatz, Grammatik, Pragmatik).

Kommunikationsbarrieren wirken sich negativ auf das Selbstbild aus und lassen den Sprecher in die soziale Isolation gleiten. Das Problem dabei ist, dass sich dies nicht nur auf den Betroffenen selbst, sondern auch auf das Umfeld auswirken kann. Da wir durch unsere Sozialisation unsere intuitive elterliche Didaktik ausbilden, ist es wichtig, dass sich diese an der physiologischen Entwicklung orientiert. Ist diese durch äußere Umstände gestört, kann sich dies auf die Beziehung zu dem Kind auswirken. Insbesondere deshalb ist es wichtig, frühzeitig mithilfe der Sprachtherapie/Logopädie die intuitive elterliche Didaktik neu zu erlernen und gezielt einzusetzen, um die Bindung zum Kind zu festigen. Zu beachten ist, dass aber die Bindung und Beziehung auch noch in einem späteren Alter beeinflusst werden kann. Eine intensive Elternarbeit gehört zu einer gezielten Sprachtherapie/Logopädie unerlässlich dazu.

Durch die Einbeziehung der Bezugspersonen und durch den Einsatz alternativer Kommunikationsformen wird die Kommunikation eindeutiger und schneller, der Beziehungsaufbau dadurch einfacher, was wiederum einen bedeutenden Einfluss auf die soziale Partizipation und soziale Integration hat.

Zusammenfassend kann man festhalten: Beukelmann und Mirenda (2005) verweisen darauf, dass es nur eine einzige Voraussetzung zur sozialen Partizipation gibt, nämlich die Kommunikation. Diese kann bei nicht- oder wenig-sprechenden Menschen durch den Einsatz alternativer Kommunikationsformen und durch gezielte logopädische/sprachtherapeutische Interventionen gefördert werden. Die Intervention bleibt jedoch nicht nur auf das Individuum selbst beschränkt, sondern bezieht das gesamte Umfeld ein.

Minfo 03-2014