Interview mit unserer Beraterin Carina Greten zum Thema Unterstützte Kommunikation und Aphasie

Welche Möglichkeiten gibt es, um Menschen, die z.B. nach einem Schlaganfall nicht mehr verständlich sprechen können, die Kommunikation mit anderen zu erleichtern?

Neben der üblichen Sprachtherapie, die auf das Wiederherstellen des beeinträchtigten Kommunizierens ausgerichtet ist, gibt es im Bereich der Unterstützten Kommunikation verschiedene Hilfen, die die Verständigung und somit die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft effektiv verbessern können, indem z.B. Symbole oder Sprachcomputer eingesetzt werden.

 

Was ist Unterstützte Kommunikation?

Unterstützte Kommunikation – oder kurz UK – ist ein Oberbegriff für viele unterschiedliche pädagogische und therapeutische Methoden, die Personen mit schwer verständlicher Lautsprache alternative Verständigungsmöglichkeiten eröffnen. Dazu zählen u.a. körpereigene Gesten und Gebärden, Fotos und  Symbolkarten, aber auch elektronische Kommunikationshilfsmittel, sogenannte „Talker“, die die fehlende Lautsprache durch eine Sprachausgabe kompensieren.

 

Für wen ist UK prinzipiell geeignet?

Grundsätzlich kann man sagen, dass Unterstützte Kommunikation für Menschen aller Altersgruppen relevant sein kann, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht oder nicht mehr verständlich sprechen können. Je nachdem, ob es sich um ein Kind oder einen Erwachsenen mit einer angeborenen oder erworbenen umfassenden Beeinträchtigung der Lautsprache handelt, werden die einzelnen UK-Hilfsmittel und -Interventionen individuell auf die Person abgestimmt.

 

Welche Möglichkeiten bietet UK bei Schlaganfallpatienten?

Wenn nach einem Schlaganfall aufgrund einer Aphasie gravierende Einschränkungen der Lautsprache bestehen, ist dies sowohl für den Patienten als auch für sein Umfeld eine extrem belastende Situation. Der plötzliche Verlust der zuvor als selbstverständlich wahrgenommenen vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten stellt für alle eine große Herausforderung dar. Da Unterstützte Kommunikation immer auf das Verbessern der Verständigung abzielt und dabei eine große Bandbreite von Medien und Methoden einbezieht, ist UK auch und vor allem für Menschen mit Aphasie im Blick zu behalten. Denn durch die Kombination unterschiedlichster Elemente (Fotos, Symbole, vorgespeicherte Sätze, Buchstaben, Sprachausgabe usw.) lässt sich z.B. auch ein Kommunikationsgerät sehr flexibel auf das individuelle Störungsbild und das persönliche Kommunikationsbedürfnis abstimmen.

 

Kann UK als Teil der Sprachtherapie bei Aphasie genutzt werden?

UK und Sprachtherapie fokussieren dasselbe Ziel: Die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und der gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen. Logopädinnen bringen als Expertinnen für Kommunikationsbeeinträchtigungen die fachliche Expertise mit, um Menschen mit Aphasie bei der Auswahl und Implementierung von Methoden der Unterstützten Kommunikation bestmöglich therapeutisch zu begleiten. Das Integrieren von UK in die sprachtherapeutische Arbeit ist deshalb sehr sinnvoll. Ein wichtiger Beitrag kann in diesem Zusammenhang das Einsetzen und Individualisieren eines Sprachcomputers sein.

 

Ist ein Mensch mit Aphasie vielleicht schon zu alt für UK und einen Talker?

Nein. In der UK gilt der Grundsatz: „Es ist nie zu früh oder zu spät, um mit UK anzufangen“. Das Kommunikationsbedürfnis ist trotz der Aphasie weiterhin vorhanden, und UK stellt alternative Wege der Verständigung zur Verfügung. Natürlich ist ein Talker für jemanden, der nie mit einem Computer zu tun hatte, zunächst fremd und gewöhnungsbedürftig. Aber genau an dieser Stelle können Sprachtherapeuten mit ihrem engen Bezug zum Patienten und ihren fachlichen Kenntnissen des individuellen Störungsbildes entscheidend zum Einsatz und zur Alltagstauglichkeit eines Talkers beitragen. Der Sprachcomputer dient hier lediglich als ein Medium, um dem Kommunikationsbedürfnis gerecht zu werden.

 

Was sollte bei der Auswahl eines Talkers berücksichtigt werden?

Hier spielt meiner Meinung nach das Wortschatzprogramm die entscheidende Rolle. Auf unterschiedlichen Gerätetypen von Talkern sind verschiedene Programme verfügbar. In der Therapie und Versorgung von Menschen mit Aphasie ist es wichtig, den Betroffenen im Sinne der ICF teilhabeorientiert zu unterstützen. Dafür empfinde ich eine Herangehensweise am geeignetsten, die die starken Veränderungen berücksichtigt, die sich nach einem Schlaganfall durch die Aphasie ergeben.

Die Verständigungsschwierigkeiten wirken sich häufig auf sämtliche Kontakte im privaten und beruflichen Umfeld aus und schränken den selbständigen Handlungsspielraum stark ein. Der Verlust für den Patienten ist extrem, aber auch viele Personen im Umfeld leiden unter der plötzlichen Sprachlosigkeit und ziehen sich zurück. Daher ist es sinnvoll ein Wortschatzprogramm auf dem Talker zur Verfügung zu stellen, das genau hier ansetzt. Mit dem Programm „RehaFoXX“, das wir speziell für Menschen mit Aphasie entwickelt haben, verfolgen wir einen gesprächsbasierten und biographisch orientierten Ansatz. Dabei geht es nicht in erster Linie um das Benennen von Gegenständen, sondern viel mehr um das Berichten aus der eigenen Lebensgeschichte. Denn es ist häufig nicht notwendig dem Bäcker das Wort „Brötchen“ zu sagen, da die Situation meist eine nonverbale Zeigegeste ermöglicht. Einschneidender kann es empfunden werden, nicht mehr vom letzten Besuch des Enkelkindes berichten zu können, oder nicht mehr erzählen zu können, welchem Beruf und Hobby man jahrelang nachgegangen ist. Das Erzählen von Urlaubserlebnissen und Anekdoten aus der Vergangenheit hat in RehaFoXX ebenso Platz wie Schilderungen vom Erleben der eigenen Erkrankung oder Aussagen zum Tagesablauf. Gesprächssteuernde Aussagen wie „Ich hatte einen Schlaganfall, verstehe Sie aber gut“ können Verständnis bei unbekannten Kommunikationspartnern erzeugen und die Autonomie des Betroffenen erhöhen.

Mit einem geeigneten Wortschatzprogramm kann also ein Talker auch Aphasiepatienten helfen, die beeinträchtigte Lautsprache ein Stück weit zu kompensieren und ihren Kommunikationspartnern Anknüpfungspunkte für eine Unterhaltung liefern. Denn: Unterstützte Kommunikation bringt Menschen mit Aphasie wieder ins Gespräch!

 

Für nähere Informationen zum Thema UK und Aphasie empfehle ich:

  • Nonn, K. (2011). Unterstützte Kommunikation in der Logopädie. Stuttgart: Thieme.
  • Otto, K., & Wimmer, B. (2013). Unterstützte Kommunikation. Idstein: Schulz- Kirchner- Verlag.
  • Lüken, C. (2017). Nutzung elektronischer Kommunikationshilfen in der Sprachtherapie. In Bilda, K .; Mühlhaus, J.; Ritterfeld, U. (2017), Neue Technologien in der Sprachtherapie (pp.128-135). Stuttgart: Thieme.
  • Corsten, S.; Hardering, F.; Bröckel, M. (2011). Der biografisch-narrative Ansatz in der Intervention bei Aphasie. Forum Logopädie 6 (25), 6-11

Symbolbasiertes Wortschatzprogramm

RehaFoXX

RehaFoXX ist ein Wortschatzprogramm für Menschen mit Aphasie und / oder neurologischen Erkrankungen.

UK bei Menschen mit Aphasie

Teilhabe verbessern und Kommunikation erleichtern

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung nach Abschluss des Spracherwerbs, die verschiedene Modalitäten des Sprechens (Sprachverständnis, Sprachproduktion, Lesen, Schreiben) in unterschiedlichem Ausmaß betrifft. Sie bedeutet in der Regel keinen kompletten Sprachverlust.

Beraterin

Carina Greten-Hövel

Staatl. gepr. Logopädin B. Sc., Sprachwissenschaftlerin M. A., Medizinprodukteberaterin

Nordwestdeutschland
Zentrale Terminvergabe unter:
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